6.2.5. Schutzgut Tiere
Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind artenschutzrechtliche Verbotstatbestände allein auf die Verwirklichungshandlung bezogen und haben demnach für die Bauleitplanung nur mittelbare Bedeutung. Nicht der Bebauungsplan oder einzelne seiner Festsetzungen, sondern erst deren Verwirklichung stellt den verbotenen Eingriff dar. Deshalb findet grundsätzlich eine Verlagerung der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung auf die Zulassungsebene statt.
Gleichwohl kann der konkreten Bauleitplanung die Erforderlichkeit fehlen, wenn ihrer Verwirklichung unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse entgegenstehen. Lässt sich bereits im Zeitpunkt seiner Aufstellung erkennen, dass der Bebauungsplan wegen der sich aus artenschutzrechtlichen Bestimmungen ergebenden Hindernisse nicht verwirklicht werden kann, verfehlt er seinen städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsauftrag und wäre daher wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben des § 1 Abs. 3 BauGB unwirksam.
Wegen der nur mittelbaren Bedeutung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände für die Bauleitplanung bedarf es aber im Aufstellungsverfahren lediglich einer Abschätzung durch den Plangeber, ob der Verwirklichung der Planung artenschutzrechtliche Verbotstatbestände als unüberwindliche Vollzugshindernisse entgegenstehen werden. Hierzu hat er die bei Verwirklichung der Planung voraussichtlich betroffenen Arten sowie Art und Umfang ihrer voraussichtlichen Betroffenheit unter Hinzuziehung naturschutzfachlichen Sachverstands überschlägig zu ermitteln und zu bewerten.
Dabei steht ihm hinsichtlich der Frage, ob bei Verwirklichung der Planung artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt werden, eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu12.
Ist danach für den Satzungsbeschluss lediglich eine überschlägige Ermittlung und Bewertung in Bezug auf den Artenschutz erforderlich, können die vom Bundesverwaltungsgericht für das Planfeststellungsverfahren aufgestellten Grundsätze, insbesondere zu einer ausreichenden Bestandsaufnahme der im Plangebiet vorhandenen Arten und ihrer Lebensräume, auf das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nicht beziehungsweise nur mit Einschränkungen übertragen werden.
Ein allgemeinverbindlicher Standard, aus dem sich ergibt, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung und Bestandsaufnahme der vorkommenden Arten und ihrer Lebensräume als artenschutzfachliche Beurteilungsgrundlage bei der Bauleitplanung ausreicht, besteht nicht. Welche Anforderungen an Art, Umfang und Tiefe der auf die Arten bezogenen Untersuchungen zu stellen sind, hängt von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall sowie von Art und Ausgestaltung des Vorhabens ab. Ausreichend ist - auch nach den Vorgaben des Unionsrechts - jeweils eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Untersuchung13.
Die Ermittlungen müssen nicht erschöpfend sein, sondern nur so weit gehen, dass die Intensität und Tragweite der Beeinträchtigungen erfasst werden kann14.
Dass der Plangeber zudem von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstand nehmen darf, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Aufstellungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Den „wahren“ Bestand von Flora und Fauna eines Naturraums vollständig abzubilden, ist weder tatsächlich möglich noch rechtlich geboten. Da es sich um das Vorkommen von Lebewesen und Pflanzen handelt, muss im Zeitverlauf mit ständigen Veränderungen gerechnet werden. Die Ermittlung der realen Situation gehört - sofern erforderlich - grundsätzlich in das bauaufsichtliche oder immissionsschutzrechtliche Zulassungsverfahren oder - bei bauordnungsrechtlich freigestellten Vorhaben - in ein gesondertes Verfahren vor den Naturschutzbehörden. Im Regelfall der Bauleitplanung in Form der Angebotsplanung kann es, anders als bei einer straßenrechtlichen Planfeststellung oder einem planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan, häufig genügen, sich auf bereits vorliegende Erkenntnisse zu stützen. Einer aktuellen Erfassung des Arteninventars durch Begehungen vor Ort bedarf es dann nicht15.
Die Bewertung der Ausprägung des Schutzgutes Tiere ist im Rahmen einer faunistischen Potenzialanalyse erfolgt, die als Grundlage der Artenschutzprüfung16 erstellt wurde. Die folgenden Ausführungen fassen die Ergebnisse dieser Bewertungen zusammen.
Die Potenzialanalyse beinhaltet eine Geländebegehung, die im Mai 2023 durchgeführt wurde, sowie die Einbeziehung von Daten aus dem Artkataster des Landesamtes für Umwelt Schleswig-Holstein, von Literaturangaben sowie von Erkenntnissen aus Kartierungen in vergleichbaren Lebensräumen, die vor dem Hintergrund der festgestellten örtlichen Gegebenheiten ausgewertet wurden.
Die Habitatsituation umfasst vor allem intensiv und kleinflächig weniger intensiv genutzte Rasenflächen, Gehölzstrukturen aus Nadel- und Laubbäumen sowie Sträuchern und Gebäude unterschiedlicher Ausprägung.
Diese Vegetationsbestände können Habitate für Fledermäuse, die Haselmaus, Amphibien, Reptilien und europäisch geschützte Vogelarten bieten.
Fledermäuse
Quartiere für Fledermäuse können in den älteren Linden am Haus Nr. 24 sowie im Gebäudebereich, vor allem im Bereich älterer Bausubstanz, bestehen. Für strukturreiche Gartenbereiche ist von einer durchschnittlichen Bedeutung als Jagdgebiet auszugehen. Die angrenzenden Ackerflächen haben in dieser Hinsicht keine Bedeutung. Eine höhere Bedeutung ist für umgebende Siedlungsbereiche anzunehmen, da hier sowohl ältere Hofgebäude als auch Baumbestände vorhanden sind.
Haselmaus
Ein Vorkommen der Haselmaus im Plangeltungsbereich wird aufgrund der fehlenden Habitateignung und der mangelnden Vernetzung für unwahrscheinlich gehalten, ist jedoch aufgrund der grundsätzlich gegebenen Verbreitung der Art in diesem Raum nicht völlig auszuschließen.
Weitere Säugetierarten
Teilweise national geschützte Klein-Säuger wie z.B. Eichhörnchen, Maulwurf oder Igel können ebenfalls im Plangeltungsbereich oder in der näheren Umgebung vorkommen. Insgesamt ist für diese Arten nicht von einer besonderen Bedeutung des Plangebietes auszugehen.
Amphibien
Aufgrund ihres Verbreitungsgebietes könnten im Bereich des Plangeltungsbereiches europäisch geschützte Arten wie Kammmolch, Wechselkröte, Knoblauchkröte, Laubfrosch und Moorfrosch vorkommen. Tatsächlich ist aber im Plangeltungsbereich und im Wirkraum der Planung keine Habitateignung für diese Arten gegeben. Da auch im Artkataster des Landes in diesem Bereich keine Daten zu diesen Arten vorliegen und auch keine Laichgewässer vorhanden sind, wird ein Vorkommen dieser artenschutzrechtlich besonders relevanten Arten im Plangeltungsbereich und in seiner näheren Umgebung ausgeschlossen. Für national geschützte Arten wie z.B. Erdkröte, Teichmolch und Grasfrosch kann von terrestrischen Teilhabitaten im Bereich von Gehölzstrukturen und strukturreichen Gärten ausgegangen werden.
Reptilien
Intensiv gepflegte Gärten sowie Acker und Grünland stellen keine geeigneten Habitate für die gemäß Anhang IV der FFH-Richtlinie geschützte Zauneidechse dar, für die im Artkataster des Landes Nachweise aus weiter östlich gelegenen Bereichen bei Hornbek vorliegen. Da jedoch manche Randbereiche, z.B. im Westen, weniger intensiv gepflegt werden, kann eine Vorkommen der Art im Bereich künftiger Bebauung nicht völlig ausgeschlossen werden. In Bezug auf national geschützte Arten kann mit dem Vorkommen von Blindschleiche und Waldeidechse gerechnet werden. Insgesamt ist für diese Artengruppe nur von einer allgemeinen Bedeutung des Plangeltungsbereiches auszugehen.
Vögel
Auf eine Bedeutung des vor allem aus Siedlungsflächen und randlich angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen bestehenden Untersuchungsraums für Rastvögel gibt es keine Hinweise.
In Bezug auf Brutvögel bieten der Plangeltungsbereich und seine engere Umgebung zahlreichen Arten Lebens- und Fortpflanzungsstätten. Neben typischen Arten der Siedlungsbiotope ist vor allem mit dem Vorkommen von Gebäudebrütern und Gehölzbrütern zu rechnen.
An Gebäuden sind Arten wie Hausrotschwanz, Bachstelze, Haus- und Feldsperling, Dohle und Star sowie mit Rauch- und Mehlschwalbe zu erwarten. Eine aktuelle Nutzung des alten Bauernhauses (Nr. 24) sowie eine frühere Nutzung im Bereich eines ehemaligen Schweinestalls durch Rauchschwalben konnte nachgewiesen werden, außerdem auch ein versuchter Nestbau durch eine Mehlschwalbe. Die genannten Arten finden ihre Nahrung u.a. im Bereich der Gärten.
Aus der Artengruppe der Gehölzbrüter sind Bunt- und Grünspecht, Kohl- und Blaumeise und auch anderen Singvögel wie z.B. Gartenrotschwanz, Mönchsgrasmücke, Klappergrasmücke, Grünfink etc. zu erwarten.
Typische Arten der bodennahen Staudenfluren wie z.B. Rotkehlchen, Zaunkönig, Zilpzalp etc. finden ebenfalls geeignete Habitatbedingungen vor.
Feldlerche und Wiesenschafstelze als Vertreter der Offenlandvögel können auf den benachbarten Acker- und Grünlandflächen vorkommen.
Insekten und Weichtiere
Die durch die Planung betroffenen Flächen weisen potenziell eine Eignung für Heuschrecken, Tagfalter und Laufkäfer auf, in blütenreicheren Bereichen auch für Wildbienen. Da keine besonderen Standortbedingungen wie sandig-magere oder trocken-warme Ausprägungen vorliegen, ist für die Artengruppe der Insekten nur von einer allgemeinen Bedeutung auszugehen.
In Bezug auf Weichtiere kann das Vorkommen mehrerer Schneckenarten angenommen werden, darunter auch ein Vorkommen der Weinbergschnecke. Auch für diese Artengruppe besteht im Bereich des Plangebietes keine besondere Bedeutung.